Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
24.05.2005. Im Spiegel stellt Juli Zeh die Gretchenfrage. In Polityka findet Adam Krzeminski die Rebellion schöner Dreißigjähriger in deutschen Filmen eher kopflos. Der britische Spectator erkennt die Wiederkehr der drei hässlichen deutschen As. Die New York Review of Books erkundet das jüdische Jahrhundert. In Magyar Narancs erklärt Mihaly Dobrovits das Phänomen des Postgymnasiasten. Der New Yorker erklärt uns Intelligent Design. Für Prospect ist sexy shopping die neue Religion. Outlook India feiert mit einer Sondernummer den indischen Film. Le Monde diplomatique erklärt, wie man im Iran Lust auf Analverkehr signalisiert. Die New York Times sorgt sich um die Freiheitsrechte in Großbritannien.
Spiegel (Deutschland), 23.05.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q13/A10775/spiegel.jpg)
Polityka (Polen), 23.05.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q95/A10772/polityka.jpg)
Außerdem: Jürgen Habermas plädiert im Interview für mehr europäischen Zusammenhalt jenseits der sozialen Egoismen. Der Schriftsteller Wiktor Jerofejew erklärt uns Russland: "Das heutige Russland ist wie ein Hippodrom, auf dem zwei Pferde laufen. Das eine ist das imperialistische Russland, das andere ist das Russland, das nicht an Putin, sondern an Geld, gute Autos, bequeme Häuser und Familienglück denkt. Dieses junge Russland wird aber von Putin nicht umgebracht - ich weiß selbst nicht warum, aber er tut es nicht." Und zu den polnisch-russischen Kontroversen schreibt Jerofejew: "Für euch Polen ist Geschichte etwas Konkretes, für uns ist sie ein Abstraktum. Die Geschichte ändert sich doch tagtäglich auf Geheiß der Politik: heute mag man Lenin nicht, dafür aber Stalin. Vor fünfzig Jahren, zu Zeiten Chruschtschows, war es umgekehrt. Wenn Lenin für Katyn verantwortlich wäre, würde man vielleicht abwinken und sagen: OK, es war ein Verbrechen. Aber bei Stalin ist es etwas anderes - wer Stalin beschuldigt, der greift Russland an. Deshalb wird es keine Entschuldigung geben."
Ozon (Polen), 19.05.2005
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Sind die Polen russophob? Von wegen! Aleksandra Wiecka beobachtet vor allem bei jungen Menschen eine neue Faszination für russische und ukrainische Literatur, weißrussischen Reggae und georgischen Wein. "In den letzten Jahren haben wir schon viel deutsches Bier getrunken und eine Menge Spaghetti und Hamburger gegessen. Wir kennen die politische Korrektheit und den Sex in der City. Wir haben Distanz gewonnen zu den Geschichten aus den russischen Lesebüchern, und manche wecken in uns schon sentimentale Gefühle. Wir beginnen, etwas Anderes zu entdecken: gemeinsame Wurzeln oder auch nur gemeinsame Erfahrungen."
Außerdem finden wir in dem Magazin ein Dossier zur europäischen Identität. Gibt es die wirklich? Junge Menschen aus verschiedenen Ländern werden nach ihrem Verhältnis zur EU befragt, woraus die Schlussfolgerung gezogen wird, dass Europa alles ist: die Summe der einzelnen Identitäten und der Unterschiede, der Euroenthusiasmus und Euroskeptizismus, das "Ja" und das "Nein" zur Verfassung. "Kein Fachmann für paneuropäische Propaganda wird daraus einen neuen, europäischen Menschen machen, weil die Europäer es nicht wollen. Wir alle sind tief in unserer Kultur, Sprache und Tradition verwurzelt. Und jeder kann in diesem vielstimmigen Gesang die Strophe singen, die ihm am nächsten ist."
Spectator (UK), 21.05.2005
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Ross Clark warnt vor den immer häufiger ausgesprochenen Anti-Social-Behaviour-Orders, mit denen die Engländer ihren liebevoll exzentrischen Ruf verspielen. David Boag etwa musste vier Monate ins Gefängnis. "Er schaut sich gerne 'American Werewolf in London' an, um danach ein wenig zu heulen. Nicht nur das, Nachbarn, die sich seiner Beobachtung verschrieben haben, sahen ihn durch seine vorhanglosen Fenster, wie er auf einen Schemel stieg, auf sein Sofa sprang und dann mit einem Weihnachtsbaum im Zimmer herumtanzte. Ob Herr Boag ein bisschen verrückt ist oder nur exzentrisch, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht sollte er ein paar Mädchen kennenlernen oder seinen filmischen Horizont ein wenig erweitern. Was Herr Boag wirklich nicht gebraucht hat, ist der Knast, aber genau dort landete er schließlich."
The Nation (USA), 06.06.2005
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In einem weiteren Artikel verneigt sich Greg Sargent vor der "Marke Hillary".
New York Review of Books (USA), 09.06.2005
Mark Danner sieht aus London den Beweis erbracht, dass für die amerikanische Regierung bereits im Juli 2002 der Krieg gegen den Irak beschlossene Sache war. Er zitiert ein Memorandum aus Downing Street, das ein Treffen ranghoher Politiker und Berater protokolliert: "C (der Chef des MI6) berichtete von seinen jüngsten Gesprächen Washington. Dort gab es eine merkliche Veränderung in der Einstellung. Militärische Aktionen wurden nun als unvermeidlich angesehen. Bush wollte Saddam militärisch stürzen, was durch seine Verbindung zu Terrorismus und Massenvernichtungswaffen gerechtfertigt werden sollte. Die Geheimdienstinformationen und Fakten wurden um die politische Linie herum zurechtgezimmert. Der Nationale Sicherheitsrat hatte keine Geduld mit der UN-Linie und war von der Idee nicht begeistert, Material über das Verhalten des Regimes zu veröffentlichen. Es gab in Washington wenig Diskussion über eine Nachkriegspolitik."
Weitere Artikel: Der Schriftsteller Michael Chabon bekennt, was er beim Schreiben seines ersten Romans fühlte: "Etwas, was (zumindest von meiner Seite aus) der tiefen, leidenschaftlichen, physischen und intellektuellen Liebe näher kam als alles, was ich bisher einem Menschen gegenüber empfunden hatte." Der britische Historiker Orlando Figes stellt Yuri Slezkines Buch "The Jewish Century", das er brillant, aber nicht ganz unproblematisch findet: "Slezkine argumentiert, dass das moderne Zeitalter das jüdische Zeitalter ist, und das zwanzigste Jahrhundert das jüdische Jahrhundert, weil Modernisierung bedeutet, 'städtisch zu werden, mobil, gebildet, artikuliert, intellektuell, physisch verwöhnt und beruflich flexibel. Es geht darum, Menschen und Symbole zu kultivieren, nicht Felder und Herden'."
Das eingeschriebene Nahost-Duo Hussein Agha und Robert Malley gibt einen Ausblick auf die anstehen Parlamentswahlen in Palästina. Joan Didion bearbeitet den Fall Terri Schiavo nach. Joan Acocella stellt Marilynne Robinsons neuen Roman "Gilead" vor.
Weitere Artikel: Der Schriftsteller Michael Chabon bekennt, was er beim Schreiben seines ersten Romans fühlte: "Etwas, was (zumindest von meiner Seite aus) der tiefen, leidenschaftlichen, physischen und intellektuellen Liebe näher kam als alles, was ich bisher einem Menschen gegenüber empfunden hatte." Der britische Historiker Orlando Figes stellt Yuri Slezkines Buch "The Jewish Century", das er brillant, aber nicht ganz unproblematisch findet: "Slezkine argumentiert, dass das moderne Zeitalter das jüdische Zeitalter ist, und das zwanzigste Jahrhundert das jüdische Jahrhundert, weil Modernisierung bedeutet, 'städtisch zu werden, mobil, gebildet, artikuliert, intellektuell, physisch verwöhnt und beruflich flexibel. Es geht darum, Menschen und Symbole zu kultivieren, nicht Felder und Herden'."
Das eingeschriebene Nahost-Duo Hussein Agha und Robert Malley gibt einen Ausblick auf die anstehen Parlamentswahlen in Palästina. Joan Didion bearbeitet den Fall Terri Schiavo nach. Joan Acocella stellt Marilynne Robinsons neuen Roman "Gilead" vor.
Elet es Irodalom (Ungarn), 20.05.2005
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Am Budapester Donauufer, unweit vom Parlament und dem Mahnmal der 1944 hier erschossenen Juden, wurde eine Statue von Istvan Bibo, Historiker, Sozialwissenschaftler und Verfasser von "Die Misere der osteuropäischen Kleinstaaterei", eingeweiht. Der Schriftsteller und Essayist Ivan Sandor findet sein geistiges Erbe höchst aktuell und zu Unrecht wenig bekannt: "Bibo hat vor allem interessiert, wie eine größere Menschengruppe, zum Beispiel eine Nation, irreführende Erfahrungen über sich selbst und die Außenwelt entwickelt; wie Abwehrreaktionen und Sündenböcke entstehen; wie die 'eingefrorene Vergangenheit' zum Sprechen gebracht werden kann und wie sich familiäre und individuelle Erinnerungen dazu verhalten. Ein halbes Jahrhundert vor den modernen Historikerdebatten erkannte er, dass es notwendig ist, zwischen offiziellen und privaten Erinnerungskulturen zu unterscheiden, ihre Widersprüche zu hinterfragen, 'leere' Räume zu analysieren, in denen man keine Antworten findet, weil in ihnen die 'offiziellen' Geschichtsbilder unterschiedlicher Machtinteressen einander auslöschten."
Günter Grass und Imre Kertesz wurde die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin verliehen. Das ES-Magazin druckt die Laudatio von Joachim Küpper an den ungarischen Schriftsteller (hier im Original).
Magyar Narancs (Ungarn), 19.05.2005
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In einem witzigen Beitrag entwirft der Publizist Mihaly Dobrovits das Bild des "Postgymnasiasten", ein typisches Verhaltensmuster von Menschen in Ungarn, die vor 1989 aus einer oppositionellen Haltung heraus alle gesellschaftlichen Regeln ignorierten - und sich diese Einstellung sogar sechzehn Jahre nach der Wende nicht abgewöhnen können. Ihre normalerweise für die Adoleszenz charakteristische Sichtweise "teilt die Welt in zwei Kategorien: eine kleine Gruppe guter Freunde steht der feindlichen bzw. unberechenbaren Außenwelt gegenüber. Der Postgymnasiast bastelt sich gerne eine Lebensgeschichte zusammen, in der er die Rolle des unschuldigen Opfers oder des sich mutig der 'Macht' widersetzenden, einsamen Draufgängers spielt. .. Die Tragik dieser Menschen verbirgt sich darin, dass sie das Wichtigste nicht bemerken: sie können die Außenwelt frei nach Robin Hood zwar immer wieder hereinlegen, aber die Welt ist genau deshalb so unerträglich, weil auch die vielen anderen Kumpels die Spielregeln austricksen."
In Ungarn wird bald ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Aus diesem Anlass vergleicht der Journalist Ferenc Laszlo die Biografien der ostmitteleuropäischen Staatsoberhäupter. In den neuen EU-Mitgliedestaaten wurden laut Verfasser erstens ehemalige Emigranten (z.B. Valdas Adamkus in Litauen oder Vaira Vike-Freiberga in Lettland), zweitens während der Wende eine wichtige Rolle spielenden Reformsozialisten (z.B. Aleksander Kwasniewski in Polen) zum Staatsoberhaupt gewählt. Die dritte wichtige Gruppe bilden die Revolutionäre: Lech Walesa in Polen, Vytautas Landsbergis in Litauen, Vaclav Havel in Tschechien und Lennart Meri in Estland. "Sie waren Outsider in der Politik - Schriftsteller, Hochschullehrer, Elektriker -, aber sie absolvierten den zweiten Abschluss als Staatsmann auch sehr erfolgreich."
New Yorker (USA), 30.05.2005
In einem ausführlichen Artikel berichtet H. Allen Orr über die "Pseudowissenschaft" intelligentes Design (I.D., mehr), die in den USA in mehr als zwanzig Staaten entweder bereits auf dem Lehrplan steht oder eingeführt werden soll. Die Vertreter von I.D. gehen davon aus, dass sich die Evolution mit Darwin allein nicht erklären lässt und ein oder mehrere "intelligente" Wesen die Welt geschaffen hätten. "Zunächst ist intelligentes Design nicht das, wofür die Leute es oft halten. So ist I.D. kein reiner Bibelglaube. Anders als frühere Generationen von Schöpfungsgläubigen - etwa die so genannten Young Earthers und die Scientific Creationists - glauben die Vertreter von I.D. nicht, dass das Universum in sechs Tagen erschaffen wurde oder die Erde 10.000 Jahre alt ist." Auch den Evolutionsgedanken lehne I.D. "nicht rundheraus ab ... Der entscheidende Kern ihrer Behauptung ist die Überzeugung, dass es Dinge in der Welt gibt, vor allem das Leben selbst, die keinen bekannten natürlichen Ursachen zuzurechnen sind und Eigenschaften aufweisen, die wir in anderem Zusammenhang mit Intelligenz in Verbindung bringen. Lebende Organismen sind zu komplex, um mit etwas Natürlichem, oder genauer: durch etwas Verstandfreies, erklärt werden zu können."
Weiteres: Hendrik Hertzberg kommentiert die fatale Falschmeldung von Newsweek über angebliche Koran-Schändungen in Guantanamo. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Russian Riviera" von David Bezmozgis.
Rezensiert wird eine Kulturgeschichte der Nacht "At Day's Close: Night in Times Past" (Norton); die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem einem Buch des langjährigen Herausgebers der Zeitschrift "The Nation" Victor S. Navasky über die Bedeutung meinungsbildender Printmedien. Peter Schjeldahl führt durch eine große Ausstellung mit neuen Arbeiten von Jasper Johns in der Galerie Matthew Marks. David Denby sah im Kino den DreamWorks-Zeichentrickfilm "Madagascar" von Eric Darnell and Tom McGrath und Volker Schlöndorffs "Der 9. Tag": "Der Film ist stark, konzise und spannend bis zum Ende", schreibt Denby, der sich zu Beginn seiner Gesicht ausführlich dem faszinierenden Gesicht von Ulrich Matthes widmet. "Es ist etwas Verstörendes, ja Unheimliches an ihm - er könnte einer von El Grecos Heiligen sein."
Nur in der Printausgabe: Überlegungen zur Frage, ob auf Ground Zero Wohnhäuser gebaut werden sollten, ein Porträt des Senators von Arizona, John McCaine, und Lyrik von Donald Hall und Sharon Olds.
Weiteres: Hendrik Hertzberg kommentiert die fatale Falschmeldung von Newsweek über angebliche Koran-Schändungen in Guantanamo. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Russian Riviera" von David Bezmozgis.
Rezensiert wird eine Kulturgeschichte der Nacht "At Day's Close: Night in Times Past" (Norton); die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem einem Buch des langjährigen Herausgebers der Zeitschrift "The Nation" Victor S. Navasky über die Bedeutung meinungsbildender Printmedien. Peter Schjeldahl führt durch eine große Ausstellung mit neuen Arbeiten von Jasper Johns in der Galerie Matthew Marks. David Denby sah im Kino den DreamWorks-Zeichentrickfilm "Madagascar" von Eric Darnell and Tom McGrath und Volker Schlöndorffs "Der 9. Tag": "Der Film ist stark, konzise und spannend bis zum Ende", schreibt Denby, der sich zu Beginn seiner Gesicht ausführlich dem faszinierenden Gesicht von Ulrich Matthes widmet. "Es ist etwas Verstörendes, ja Unheimliches an ihm - er könnte einer von El Grecos Heiligen sein."
Nur in der Printausgabe: Überlegungen zur Frage, ob auf Ground Zero Wohnhäuser gebaut werden sollten, ein Porträt des Senators von Arizona, John McCaine, und Lyrik von Donald Hall und Sharon Olds.
Prospect (UK), 01.06.2005
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Linda Colley gratuliert Anatol Lieven zu seiner Analyse des amerikanischen Nationalismus in "America Right or Wrong?". Für Lieven drohe "die Hyperaktivität und der Nationalismus der USA, den Status quo zu zerstören, statt ihn zu konsolidieren. Insofern vergleicht er das gegenwärtige Amerika mit Großbritannien und Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Damals fühlten diese beiden europäischen Reiche sich ihrer Macht unsicher, bedroht und benachteiligt. Daraus folgte, dass sie diese Unsicherheit auf eine Art und Weise überkompensierten, die sich als zerstörerisch - für sich selbst und für andere - erwies."
Weitere Artikel: Angesichts des Booms, den biologistische Erklärungen von vermeintlich geschlechterspezifischen Fähigkeiten derzeit erfahren, macht Natasha Walter deutlich, wie selektiv mit den Ergebnissen aus der Geschlechterforschung umgegangen wird, und schlägt sich auf die Seite der Kultur: "Wenn wir Menschen irgendetwas von Geburt an sind, dann von Geburt an anpassungsfähig." Daniel Johnson zeichnet nach, warum sich das Schachspiel während des Kalten Krieges einer so großen Beliebtheit erfreute und selbst zum Austragungsort des ideologischen Wettstreits wurde. Bartle Bull berichtet, wie Muktada al-Sadrs Shia-Rebellen ihre ersten Schritte auf demokratischem Boden wagen. Und Fintan O'Toole erfreut sich an John Banvilles Maler-Roman "The Sea" sowie an seiner Art, vor den "alten klirrenden Knochen" des Irischseins zu fliehen, die ihn erst recht zum Iren macht.
Guardian (UK), 21.05.2005
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Auch wenn es stellenweise etwas zusammengewürfelt anmutet, feiert John Banville Simon Blackburns Traktat über die Wahrheit ("Truth") als Buch der Woche. Zum einen ist Blackburn "gelehrt, scharfsinnig, bewundernswert sensibel und verfügt über eine elegante und klare Schreibe". Zum anderen gefällt dem Rezensenten Blackburns Plädoyer für klare Positionen. "Ohne eine Verteidigung gegen Postmoderne und Zynismus, Multikulti und Relativismus werden wir alle zusammen zur Hölle fahren."
Ein ausführliches Porträt widmet Susanna Rustin der Journalistin und Autorin Joan Didion, der berühmten Chronistin der Sechziger. Im Laufe des Jahres wird Zoe Hellers neue Biografie Didions erscheinen. Beeindruckt zeigt sich außerdem James Buchan von Adam Thorpes Roman "Rules of Perspective" rund um die Nazis und die Kunst. Er bescheinigt Thorpe ein seltenes "Gespür für die bürokratische Kultur der Deutschen".
Outlook India (Indien), 30.05.2005
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Rahul Bose, erfolgreich als Regisseur und Schauspieler, singt eine geradezu lyrische Hymne auf die "Magie des Kinos". "Hin und wieder passiert es, und ein herrlich ahnungsloser Filmemacher vermeidet fröhlich die Gefahr, kommerziellen und kritischen Erfolg vermählen zu wollen, um einen Film machen, dem am Ende genau das gelingt. Und dann bricht die Hölle los. Die Puritaner beharren darauf, dass der Film eigentlich nicht gut ist, sonst würden nicht Horden von geschminkten Teenagern in die Kinos strömen. Die Ketzer entgegnen, dass der prätentiöse Charakter des Films nur clever unter einer Schicht Sentimentalität verborgen liegt. Und dann, eines Tages, geht eine arme, ungeliebte, unvorstellbar zerbrechliche Frau ins Kino. Und während sie den Film sieht, werden ihre Kleider abfallen und ein Abendkleid aus Gaze enthüllen. Die Linien in ihrem Gesicht werden von Engelsstaub überzogen. Goldene Slipper werden ihre schmutzigen Fußnägel säubern. Und ihr Haar wird unter dem Gewicht einer Krone schmiegsam werden. Eine Krone, die ihr von einem Film geschenkt wid, der ihr Herz und ihren Kopf mit gleicher Leichtigkeit hört, und ein Filmemacher, der nie vergisst, alles, was sie je gesagt hat, mit Respekt zu behandeln."
Weitere Artikel: N. Chandra Mohan sondiert die Lage des indischen Films auf dem Weltmarkt. Jerry Pinto schreibt eine kleine, aber scharfzüngige Geschichte der regressiven Werte im neueren Hindi-Film. Bhavani Iyer sucht die Erklärung für die Vorliebe zum Melodrama im indischen Nationalcharakter, doch eigentlich will er gar nichts erklären: "Die Intellektualisierung von etwas, das beinahe ein organischer Reflex ist, führt am Ende wahrscheinlich zu einer Vereinfachung einer sehr komplizierten Sache. Oder zu einer Verkomplizierung einer der einfach. Ergo: Lasst die Tränen fließen!"
Zu den Stars: Die redaktionelle Auszeichnung in Form des Titelbildes für den "Interessantesten Star der Dekade" wurde ausgerechnet Aamir Khan verliehen, dem "Filmstar, der ein Filmstar ist, weil er sehr wenige Filme macht", wie Namrata Joshi in ihrem Porträt schreibt. Der Erfolg hat, indem er bei seinem Schauspiel keine Kompromisse eingeht. Der jede "Imagefalle" vermeidet. Der Method-Actor, im Film wie im Leben. Nasreen Munni Kabir hat Shah Rukh Khan auf einer US-Tour begleitet und musste an die Beatlemania denken. Die Autorin und Fernsehproduzentin Aparajita Krishna erinnert sich traurig an den Amitabh Bachchan der späten 60er Jahre, als ihm seine, wie sie schreibt, Figuren noch nicht "abhanden gekommen" waren. Später sah er blendender aus, okay, aber: "Er erinnerte mich nicht mehr an einen Onkel, den ich mal kannte, an eine Scheu, die ich gesehen, und einen Zorn, an dem ich vorbeigeeilt war." Und Sanjay Suri fragt sich, wo die Schauspielerinnen geblieben sind, von denen man noch nicht im Plural redete: "Irgendwann in den vergangenen zehn Jahren hat sich das, was der indische Film sein könnte, in einen Laufsteg aus Zelluloid verwandelt. (?)Niemand schaut sich mehr einen Film an, in dem Aishwarya Rai mitspielt. Wir setzen uns hin und schlagen das neueste Aishwarya-Rai-Bilderalbum auf."
Des weiteren stellt Suveen K. Sinha einige der neuen Gesangsstimmen der Filmmusik vor und ist froh, dass sie sich nach sieben langen Jahrzehnten endlich mal anders anhören als Mohammed Rafi, Mukesh oder Kishore Kumar. Und zuguterletzt noch ein Blick über die Grenzen von Bombay: Labonita Ghosh liefert eine Zustandsbeschreibung des bengalischen Kinos, dass Jahrzehnte nach den großen Zeiten von Mrinal Sen, Satyajit Ray und Ritwik Ghatak eine seltsame Doppelexistenz führt. Sehr kommerzielle Filme auf der einen und sehr kompromissloses Autorenkino auf der anderen Seite - "Tollywood ist schizophren geworden". Ach, könnte jemand mal so ein Heft über den deutschen Film machen, bitte?
New York Times (USA), 22.05.2005
Mit Verve verreißt Christopher Hitchens den "Johns Hopkins Guide to Literary Theory and Criticism", den er als Symbol einer elitär-verschwurbelten Sprachwissenschaft geißelt, die zuviel Foucault und Derrida gelesen hat. "Die Franzosen haben einen Ausdruck für diese Sorte Prosa: la langue de bois, die hölzerne Zunge, mit der nicht Nützliches oder Erhellendes gesagt werden kann, die aber mannigfaltige Entschuldigungen für das Beliebige und Unehrliche bietet."
Weitere Artikel: In einem kurzen Essay enttarnt Jeff Shesol die Legendenbildung, die um Ronald Reagan betrieben wird, als Mittel, um ganz aktuelle Ziele zu rechtfertigen. Geoff Nicholson musste bei Caleb Carrs hochoffiziell genehmigtem und sehr ernst gemeintem neuen Sherlock-Holmes-Abenteuer "The Italian Secretary" trotz allem an die Simpsons denken. Grausam und doch blutleer kommt Chuck Palahniuks neuer Roman "Haunted" daher, seufzt Tom Shone, der den Gothic-Erneuerer und "Fight Club"-Autor Palahniuk bisher mit Interesse verfolgt hat. 75 Millionen Fans soll die Autorennserie Nascar in den USA schon haben, staunt Jonathan Miles, der aus diesem Anlass zwei der wenigen literarischen Annäherungen an die Welt der Im-Kreis-Raser vorstellt.
Christopher Caldwell sorgt sich im New York Times Magazine um die britischen Freiheitsrechte: Auf der Grundlage von anti-social behavior orders können dort erstaunliche Eingriffe in das Privatleben unliebsamer Bürger vorgenommen werden. "Es gibt eine steigende Tendenz, Leuten genau das zu verbieten, was sie früher nach dem Motto 'Es ist ein freies Land' getan haben", wie zum Beispiel laute Musik hören, Graffitis malen oder betteln. "Man muss die Übertretung nicht einmal selbst begehen. Es wurde vorgeschlagen, Hundebesitzer für einen widerspenstigen Hund zu bestrafen und Eltern für das Schuleschwänzen oder Vergehen ihrer Kinder. Die Dinge verkomplizierten sich noch letztes Jahr, als Aktivisten das House of Lords beinahe überzeugt hätten, Eltern zu verbieten, ihren Kindern eins auf den Hintern geben. Es muss den fassungslosen Eltern so vorkommen, als würden sie bald in jedem Fall strafrechtlich verantwortlich gemacht, mal weil sie ihre Kinder disziplinieren, mal weil sie es nicht tun."
Weiteres: Michael Sokolove porträtiert in der Titelreportage Senator Rick Santorum, den nach George Bush wichtigsten religiösen Politiker der USA. Der 47-jährige Santorum gilt mittlerweile als einflussreicher Impulsgeber der republikanischen Partei. Und Alex Witchel bewundert die Autorin und Produzentengattin Gigi Levangie Grazer, die nicht nur reich, sondern auch geistreich zu sein scheint.
Weitere Artikel: In einem kurzen Essay enttarnt Jeff Shesol die Legendenbildung, die um Ronald Reagan betrieben wird, als Mittel, um ganz aktuelle Ziele zu rechtfertigen. Geoff Nicholson musste bei Caleb Carrs hochoffiziell genehmigtem und sehr ernst gemeintem neuen Sherlock-Holmes-Abenteuer "The Italian Secretary" trotz allem an die Simpsons denken. Grausam und doch blutleer kommt Chuck Palahniuks neuer Roman "Haunted" daher, seufzt Tom Shone, der den Gothic-Erneuerer und "Fight Club"-Autor Palahniuk bisher mit Interesse verfolgt hat. 75 Millionen Fans soll die Autorennserie Nascar in den USA schon haben, staunt Jonathan Miles, der aus diesem Anlass zwei der wenigen literarischen Annäherungen an die Welt der Im-Kreis-Raser vorstellt.
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